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Wird die elektronische Patientenakte mit Opt-out-Funktion der Gamechanger?

Sechs Personen bei einer Podiumsdiskussion.

Aber nur, wenn der Nutzen für Patient:innen, Praxen und Kliniken klar nach vorne rückt und die ePA von einer Hülle zum echten Alltagstool im Gesundheitswesen wird.

„Digitalisierungsstrategie – Schafft die Ampel zur Halbzeit die Wende im Gesundheitswesen?“, lautete die Frage, der sich an Tag eins der DMEA vier Diskussionsteilnehmer stellten: Matthias Mieves, SPD-Bundestagsabgeordneter und Berichterstatter für e-Health, Thomas Ballast, Vize-Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), Norbert Butz von der Bundesärztekammer und dort Leiter des Dezernats 5 „Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung“, und Harald Flex, IT-Berater und bis 2007 Gründungsgeschäftsführer der gematik.

ePA für alle ab Ende 2024

Als zentralen Punkt in seiner Digitalisierungsstrategie kündigte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in seiner Keynote auf der DMEA die elektronische Patientenakte (ePA) an, die ab Ende 2024 für alle Versicherten zur Regel werden soll. Wer sie nicht nutzen will, müsse dann ausdrücklich widersprechen (Opt-out-Verfahren). „Schaffen wir damit also den großen Wurf?“, fragte anschließend Ko-Moderator Ecky Oesterhoff von der Philips GmbH Market DACH in die Runde – und stieß auf vorsichtigen Optimismus (Ballast) bis Euphorie (Mieves).

„Das ist der richtige Weg“

Das Opt-out-Verfahren begrüßten alle vier Podiumsteilnehmer. „Das ist auf jeden Fall der richtige Weg“, sagte IT-Experte Harald Flex – um gleichzeitig auf das seiner Auffassung nach größte Risiko hinzuweisen: „wenn die ePA nur eine Plattform ist, in der nichts steht“. Ärztinnen und Ärzte müssten verpflichtet werden, die elektronische Patientenakte dann auch tatsächlich zu nutzen. „Wir müssen die Partikularinteressen nach hinten drängen und endlich in die Umsetzung kommen.“

„Ein Desaster, wie es im Moment läuft“

„Die ePA für alle ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor“ für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, glaubt auch SPD-Gesundheitsexperte Matthias Mieves. Allerdings werde sie nur dann Erfolg haben, „wenn sie konkrete Mehrwerte bringt“. Insbesondere müsse es einfachere, kürzere Zugangswege für die Versicherten geben. „Der bisherige Weg ist steinig, im Moment ist es ein Desaster, wie es läuft.“ Außerdem müsse die ePA für die Patient:innen nutzerfreundlich sein und dürfe zugleich in den Praxen und Kliniken keinen zusätzlichen Aufwand schaffen. Als ersten Schritt sollten Medikationspläne automatisiert aus den verschiedenen Systemen in die ePA einlaufen, kündigte Mieves an. Weitere Anwendungen sollten dann Schritt für Schritt folgen.

Werbung für den Nutzen

Die Ärzteschaft habe zwei Anwendungen bereits mitkonzipiert, betonte Norbert Butz von der Bundesärztekammer: der Notfalldatensatz, der die wichtigsten Patientendaten enthalte, liege seit vier Jahren bereit, um ihn in die ePA einzupflegen – „und nichts ist passiert!“ Das Gleiche gelte für den Medikationsplan als ePA-Feature. Beides seien Anwendungen, deren Nutzen sich sofort auch einem breiten Publikum erschlössen. „Ich verstehe nicht, warum man nicht jeden Abend vor der Tagesschau einen Werbespot schaltet“, sagte Butz. Damit erreiche man die richtige Zielgruppe, und dann wüssten die Menschen sofort, wofür die ePA gut sei.

Exklusives Angebot, das begeistert

Um Überzeugungsarbeit zu leisten, müsse klar werden: „Was ist das exklusive Angebot der ePA, das sie attraktiv macht“, ergänzte TK-Vize-Vorstandschef Thomas Ballast. Das seien zum Beispiel vorkonfigurierte medizinische Daten, die den Aufnahmeprozess in Krankenhäusern oder Arztpraxen erleichtern, wie etwa aktuelle Laborwerte oder MRT- und Röntgenaufnahmen. „Dann habe ich ein gutes Angebot, mit dem ich Begeisterung wecken kann.“

So einfach wie elektronisches Bezahlen

Statt Begeisterung drehe sich die öffentliche Debatte aber immer noch viel zu einseitig um Bedenken beim Datenschutz, waren sich Ballast und Mieves einig. Berichte über Datenklau brächten halt die höchsten Klickzahlen, sagte Ballast. Dem müsse man etwas Positives entgegensetzen. Und Flex ergänzte: „Wir brauchen Killerapplikationen – so heißt das –, von denen die Menschen begeistert sind.“ Und die so einfach seien wie elektronisches Banking, für das auch niemand ein Benutzerhandbuch lese.