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Digitalisierung des Gesundheitswesens: Vorgaben müssen Freiraum lassen

Drei Personen sitzen in einem offenen Diskussionskreis auf einer Bühne und führen ein Gespräch.

bvitg-Debattierclub

Gesetze seien wichtig, um der Politik die Richtung vorzugeben. Sie müssten aber Raum für Interpretationen lassen und dürften nicht zu spezifisch sein. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet Franz Knieps, Vorstandvorsitzender des BKK Dachverbands, im Gesundheitswesen. Er war unter anderem an der Gründung der Gematik vor 20 Jahren beteiligt. Mit der Einführung der Gesundheitskarte als Start eines digitalisierten Gesundheitswesens lag Deutschland damals vorn. Inzwischen hinkt das deutsche Gesundheitswesen im Hinblick auf die Digitalisierung nicht verglichen mit anderen Ländern, sondern mit anderen Sektoren hinterher. Franz Knieps hätte sich damals mehr Tempo erhofft.

Dr. Florian Fuhrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Gematik, unterstrich, dass zum einen die damals eingeführten Strukturen bis heute mitgedacht werden müssten und weiterhin Abhängigkeiten bestünden. Zum anderen hätte man sich auf die Regulatorik verlassen anstatt strukturelle Probleme anzugehen. Er hofft, dass der „Gamechanger Digitalisierung“ nun von allen ernst genommen werde. Ein Weg, der sich für ihn gegen Beharrungskräfte bewährt habe, sei die offene Kommunikation mit den Stakeholdern, der Politik und der Industrie. Kompromisse zu finden, sei das Gebot der Stunde, die Stimmung in der Gematik aktuell sehr positiv.

Spielraum für Innovationen

Nach Ansicht von Franz Knieps wird sich das Gesundheitswesen nur dann verändern, wenn der Leidensdruck groß genug ist. Regulierung sei dann eine Chance, wenn sie abstrakt bleibe. Je konkreter Detailregelungen werden, desto zeitgebundener und innovationshemmender werden sie. Ein Grundkonsens verbunden mit einer starken Führung durch den oder die Gesundheitsminister:in seien essenziell, um Veränderungen zu erreichen.

Auch Florian Fuhrmann ist überzeugt, dass Gesetze durchaus Spielraum lassen können. Allerdings brauche es auf der technischen Seite eine hohe Spezifikationstiefe. Nur so könne Interoperabilität erreicht werden. Gegenüber einem Digitalministerium zeigten sich beide Gäste skeptisch. Unklare Zuständigkeiten könnten die Digitalisierung des Gesundheitswesens verlangsamen, so Franz Knieps. Auch Florian Fuhrmann befürchtet, dass die Digitalisierung an Tempo verlieren könnte. Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Abteilungen im BMG sei sehr gut.

Patient:innen im Fokus

Unter Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach seien die richtigen Dinge zur richtigen Zeit beschlossen worden, so Franz Knieps. Das E-Rezept sei ein Usecase, den die Menschen unmittelbar erleben. Davon müsse es mehr geben. Die nächste Generation werde anspruchsvoller sein und die Digitalisierung weiter vorantreiben.

Künftig werden sich in der Gematik interdisziplinäre Teams noch stärker mit der Patient Journey beschäftigen, kündigte Florian Fuhrmann an. Ziel sei es, diese nicht nur aus Sicht der Technik, sondern auch aus Sicht der Anwender besser zu verstehen und weiter zu verbessern.