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Krankenhäuser unterstützen in Umbruchzeiten
Der digitale Datenschatz ist dabei ein Asset, das noch besser genutzt werden kann, sagt Joachim Meyer zu Wendischhoff, Leitung Medizin und Produktmanagement bei dem Unternehmen ID, einem Spezialisten für die Auswertung digitaler Datensätze von Krankenhäusern. Dabei geht es um weit mehr als nur um Hilfestellung bei der Codierung für die Abrechnung.
Alle Welt redet über künstliche Intelligenz, oder „KI“. Ihr Unternehmen macht Datenanalytik im Krankenhausumfeld seit mittlerweile Jahrzehnten. Reden Sie auch über KI?
Wir reden auch über KI, und zwar in zwei Formen. Regelbasierte KI haben wir bei der Codierung schon lange im Einsatz: Wenn bestimmte Begriffe in der Dokumentation auftauchen, dann wird ein ICD- oder OPS-Code vorgeschlagen. Bei bestimmten Formulierungen wiederum wird genau das nicht gemacht, etwa wenn in der Diagnoseliste „Zustand nach Myokardinfarkt“ steht statt nur „Myokardinfarkt“. Diese regelbasierte Analytik ergänzen wir immer stärker durch Maschinelles Lernen (ML). Zum Beispiel bieten wir ein ML-basiertes Modul an, das medizinische Berichte automatisch scannt und daraus Codierungs-Vorschläge für die Abrechnung generiert. Das bringt deutlichen Mehrwert. Die menschliche Komponente bleibt aber dennoch notwendig. Ohne Codierfachkräfte geht es nicht.
Wie trainieren Sie dieses Tool? Funktioniert das auch häuserübergreifend?
Wir nehmen alles, was in Textform vorliegt: Aufnahmebefund, Impfstatus, OP-Bericht, Entlassbrief, Laborbefund, Konsil, Röntgenbefund, auch die Verlaufsdokumentation. Das alles wird analysiert, und daraus lernt der Algorithmus, in welchen Konstellationen bestimmte Codes besonders häufig sind. Theoretisch funktioniert das häuserübergreifend. Allerdings gibt es bei der klinischen Dokumentation so etwas wie einen krankenhausspezifischen Slang. Das müssen wir berücksichtigen. Es gibt Grundkomponenten, die wir in allen Häusern nutzen, aber die Adaptation an die jeweils spezifische Dokumentation erfolgt auf Basis von eigenen Dokumenten. Da kann auch mal Handarbeit dabei sein. Es gibt zum Beispiel die Billroth-Operationen am Magen. Wenn in einer Klinik ein Oberarzt zufällig Billroth heißt, darf natürlich nicht jedes Mal ein entsprechender Code vorgeschlagen werden.
Neben der KI und der Codierung: Was sind weitere Schwerpunkte von ID bei der DMEA?
Auf die Krankenhäuser kommt einiges zu mit dem Krankenhausreformgesetz. Wir können da mit unseren Lösungen unterstützen. Die Reform sieht vor, dass jeder Fall in eine Leistungsgruppe einsortiert wird und Krankenhäuser anhand dieser Leistungsgruppen dann ihre Vorhaltepauschalen bekommen. Gleichzeitig sollen die Leistungsgruppen für die Krankenhausplanung genutzt werden. Wir adressieren beides: Wir haben einerseits einen eigenen Leistungsgruppen-Grouper gebaut, basierend bisher auf den Leistungsgruppen in Nordrhein-Westfalen. Außerdem haben wir ein Zusatzmodul, den Kompass integriert, den wir zusammen mit unserem Partner MEDIQON entwickelt haben. Damit können Häuser detailliert analysieren, was die Konkurrenz machen. Das wird in den nächsten Jahren ein überlebenswichtiges Thema. Bei kleineren Häusern geht es darum, ob bestimmte Leistungen noch angeboten werden können. Größere Häuser müssen damit rechnen, aus der Peripherie zusätzliche Patienten zu bekommen und die Kapazitäten entsprechend planen.
Die Leistungsgruppen sind ja nicht die einzige Neuerung. Wie sieht es mit den Hybrid DRGs aus?
Die haben wir in ID DIACOS® schon umgesetzt, die sind ja im Fallpauschalenkatalog schon mit drin. Das ist für die Kliniken kein so großes Thema. Der Grouper wirft das mit aus. Grundsätzlich geht aber auch unabhängig von der Hybrid-DRG viel in Richtung Ambulantisierung, und dabei unterstützen wir die Krankenhäuser. Wir haben zum Beispiel die ambulanten Codier-Regeln und eine EBM-Suche umgesetzt. Unser Motto: Wir wollen die Krankenhäuser bei allen Herausforderungen begleiten. Ein Thema, über das wir bei der DMEA reden wollen, ist auch die stärkere Verzahnung unserer Module. Unser Medikations-Tool ID MEDICS® haben wir jetzt mit dem Controlling-Tool ID EFIX® verknüpft. Das ermöglicht die Analyse von Medikationskosten pro Fall, aber auch Vergleiche hinsichtlich der Effektivität von Medikamenten und Analysen des Verordnungsverhaltens, z.B. bei Antibiotika. Eine weitere DMEA-Neuerung im Bereich Medikation ist unser Insulinplan, mit dem Diabetespatienten deutlich besser dokumentiert und behandelt werden können. Brisant für die Krankenhäuser ist auch das ganze Thema eRezept. Das ist im stationären Bereich noch nicht verpflichtend, aber wir bieten es schon an.
Kommen Sie mit Ihrem Medikations-Tool mit der elektronischen Patientenakte (ePA) in Berührung?
Klar. Das ist insbesondere ein Standardisierungs- und Interoperabilitätsthema. Wir können mit ID MEDICS® FHIR-Datensätze exportieren, und wir kennen auch die ISIK-Konventionen sehr gut. Den elektronischen Medikationsplan unterstützen wir ohnehin schon lange. Kurz gesagt: Das ist alles darauf ausgelegt, die ePA zu befüllen, sobald das möglich ist. Relevant im Kontext Interoperabilität ist natürlich auch unser Terminologieserver ID LOGIK® TS. Die Philosophie: Wir schreiben den Nutzenden nicht eine Terminologie vor, sondern bieten die Option, Terminologien nach Bedarf zu konvertieren, beispielsweise die Abrechnungscodes der ICD-10 in die für ePA und andere Anwendungen wichtigen SNOMED CT-Codes. Relevant ist das auch in der Forschung: Hier sind wir mit unserem Terminologieserver im SMITH Konsortium der Medizininformatikinitiative aktiv.
Was gibt es sonst noch an Neuigkeiten?
Spannend sind einige Forschungsszenarien, die wir bei der DMEA auch thematisieren werden, die aber noch keinen Produktstatus haben. Wir entwickeln mit der Charité im Projekt dVP_FAM eine App für Brustkrebspatientinnen, bei der sowohl Ambulanzen als auch Patienten und niedergelassene Ärzte Daten eingeben. Das ist ein intersektorales Tool, und es läuft gut an, wir sind sehr zufrieden. Wir wollen beim Thema Intersektoralität vorangehen, weil wir das für ein Zukunftsthema halten.